ISO 26262 ist der internationale Standard für funktionale Sicherheit (Functional Safety) in der Automobilindustrie, der systematische Methoden zur Vermeidung unzumutbarer Risiken durch Fehlfunktionen elektrischer und elektronischer Systeme in Fahrzeugen definiert. Der Standard deckt den gesamten Produktlebenszyklus von Konzeptphase über Entwicklung und Produktion bis zu Betrieb und Außerbetriebnahme ab.
ISO 26262 klassifiziert Sicherheitsrisiken in vier ASIL-Stufen (A bis D) basierend auf Schwere (Severity), Auftrittswahrscheinlichkeit (Exposure) und Kontrollierbarkeit (Controllability). ASIL D repräsentiert das höchste Risiko und erfordert strengste Entwicklungsprozesse.
Hazard Analysis and Risk Assessment (HARA) systematisiert Gefährdungsidentifikation und Risikoklassifikation für alle Fahrzeugfunktionen. Safety Goals leiten sich direkt aus HARA-Ergebnissen ab und definieren Sicherheitsanforderungen.
Functional Safety Concept spezifiziert notwendige Sicherheitsmaßnahmen, während Technical Safety Concept deren technische Implementierung beschreibt.
Safety Lifecycle: Strukturierter V-Model-Prozess mit definierten Phasen, Deliverables und Verifikationsaktivitäten. Jede Phase erfordert spezifische Work Products und Quality Management.
Functional Safety Management: Übergeordnete Verantwortung für Sicherheitsaktivitäten, Kompetenzmanagement und Configuration Management. Safety Manager koordiniert alle sicherheitsrelevanten Prozesse.
Hardware-Software Interface (HSI): Systematic Integration sicherheitskritischer Hardware- und Software-Elemente mit definierten Schnittstellen und Failure Modes.
Autonomes Fahren: ADAS-Systeme und autonome Fahrfunktionen erfordern ASIL D-Klassifikation für kritische Pfad-Planungsalgorithmen. Sensor Fusion und Redundancy Concepts gewährleisten Fail-Safe-Verhalten.
Elektromobilität: Battery Management Systems, Hochvolt-Steuergeräte und Ladesysteme folgen ISO 26262-Prozessen. Thermal Runaway Prevention und Emergency Shutdown-Funktionen sind sicherheitskritisch.
Connected Car: Over-the-Air Updates und Cybersecurity-Maßnahmen müssen Functional Safety Requirements erfüllen. Security-Safety Interface verhindert Sicherheitskompromittierung durch Cyber-Angriffe.
Chassis und Antrieb: Electronic Stability Control, Anti-Lock Braking und Steering Systems implementieren ASIL-konforme Entwicklungsprozesse mit umfangreicher Verifikation und Validierung.
Model-Based Development mit Safety-Analysis-Tools unterstützt frühe Hazard-Identifikation. FMEA, FTA und FUSA-TARA-Analysen sind standardisierte Methoden.
Requirements Traceability verbindet Safety Goals mit Technical Safety Requirements und deren Implementation. Bidirektionale Verfolgbarkeit ist auditierbar dokumentiert.
Tool Qualification nach ISO 26262-8 klassifiziert Entwicklungstools nach deren Sicherheitsrelevanz. Tool Confidence Levels bestimmen notwendige Qualifikationsmaßnahmen.
Hardware: Systematic Capability Analysis, Hardware Metrics (SPFM, LFM) und Architectural Metrics validieren Sicherheitsarchitekturen. Dependent Failure Analysis identifiziert Common Cause Failures.
Software: Software Safety Requirements, Architectural Design und Unit Testing folgen ASIL-spezifischen Kriterien. Coding Guidelines und Static Analysis-Tools unterstützen Defect Prevention.
Integration: Hardware-Software Integration mit Safety Analysis und systematischer Testing-Strategie. Production-Integration berücksichtigt Manufacturing Variability.
Systematic Testing-Strategie deckt alle ASIL-Requirements ab. Test Case Generation basiert auf Safety Requirements und Failure Mode Analysis.
Hardware-in-the-Loop (HIL) und Vehicle-in-the-Loop (VIL) Testing validieren Safety Functions unter realistischen Bedingungen. Field Testing sammelt statistische Evidenz für Safety Argumentation.
Functional Safety Assessment durch unabhängige Assessoren validiert Prozesskonformität. Safety Case dokumentiert strukturiert alle Sicherheitsnachweise.
Configuration Management und Change Control stellen sicher, dass Sicherheitsrelevanz bei Änderungen berücksichtigt wird. Impact Analysis bewertet Safety-Auswirkungen.
ISO 21448 (SOTIF - Safety of the Intended Functionality) ergänzt ISO 26262 für KI-basierte Systeme. Cybersecurity-Standards wie ISO/SAE 21434 adressieren Security-Safety Interface.
ASPICE-Prozessmodell harmoniert mit ISO 26262-Entwicklungsprozessen. Automotive SPICE und ISO 26262 Assessment können kombiniert durchgeführt werden.
Machine Learning und AI-Integration erfordern erweiterte Safety-Methodiken. ISO 26262-Edition 3 adressiert autonome Systeme und ML-spezifische Herausforderungen.
Edge Computing und 5G-Kommunikation schaffen neue Safety-relevante Architekturen mit verteilten Sicherheitsfunktionen.
ISO 26262 entwickelt sich zum zentralen Sicherheitsstandard für die Mobilität der Zukunft, der autonomes Fahren, Elektrifizierung und Vernetzung sicher ermöglicht.