Ein Manufacturing Execution System (MES) bündelt eine Vielzahl von Funktionen, die gemeinsam dafür sorgen, dass Fertigungsprozesse transparent, steuerbar und nachweisbar werden. Damit sich Unternehmen in diesem Funktionsumfang zurechtfinden, hat die Richtlinie VDI 5600 die wichtigsten Aufgaben eines MES strukturiert.
Diese Seite gibt einen Überblick über die MES-Funktionen nach VDI 5600 und zeigt, wie sie zusammenwirken. Sie ergänzt den allgemeinen Fachartikel zu MES (Manufacturing Execution System), vertieft aber ausschließlich den Blick auf die Funktionsbereiche und verweist auf weiterführende Detailseiten der Funktionen.
In vielen Unternehmen wächst die Fertigungs-IT über Jahre organisch. BDE, MDE, Qualitätsinseln, Excel-Reporting, lokale Planungstools, alles existiert nebeneinander. Die Folge sind Datensilos und inkonsistente Kennzahlen.
Die VDI 5600 schafft hier einen gemeinsamen Bezugsrahmen. Sie ordnet die Aufgaben eines MES in klar abgegrenzte Funktionsbereiche ein, zum Beispiel:
Für die Praxis bedeutet das, Unternehmen können gezielt entscheiden, welche MES-Funktionen sie zuerst einführen, welche bereits durch andere Systeme abgedeckt sind und wo echte Lücken bestehen.
Die VDI 5600 beschreibt sieben zentrale Funktionsbereiche, die zusammen den Kern eines MES bilden. Auf dieser Hubseite werden sie kurz eingeordnet. In den verlinkten Fachartikeln werden die Themen im Detail vertieft.
Die Feinplanung übersetzt grobe Planvorgaben aus ERP oder APS in einen realistischen Ablauf auf dem Shopfloor. Sie berücksichtigt dabei reale Restriktionen wie verfügbare Maschinen, Rüstzeiten, Schichtmodelle und Materialbestände.
Die Feinsteuerung sorgt dafür, dass dieser Plan im Tagesgeschäft eingehalten oder bei Störungen dynamisch angepasst wird. Typische Aufgaben sind:
Das MES Qualitätsmanagement stellt sicher, dass Prozess- und Produktqualität nicht nur geprüft, sondern auch lückenlos dokumentiert werden. Dazu gehören unter anderem:
Prüfplanung und Prüfaufträge
Erfassung von Qualitätsmerkmalen in Echtzeit
Statistische Prozesskontrolle (SPC)
Verwaltung von Reklamationen, Nacharbeit und Ausschuss
Traceability über Seriennummern, Chargen oder Komponenten
Durch die Verknüpfung von Qualitätsdaten mit Aufträgen, Materialien und Anlagen entstehen aus Messwerten belastbare Entscheidungsgrundlagen.
Ohne belastbare Daten kann kein MES sinnvoll arbeiten. Die Funktionsgruppe Datenerfassung umfasst:
Maschinendatenerfassung (MDE), zum Beispiel Zustände, Stillstände, Taktzeiten, Prozesswerte
Betriebsdatenerfassung (BDE), zum Beispiel Auftragsstart, Gut und Schlechtmengen, Rüstzeiten, Personalzeiten
Ereigniserfassung für Alarme, Störungen und Wechsel von Betriebszuständen
Moderne Systeme kombinieren dabei Signale aus SPS und Sensorik mit Eingaben der Mitarbeitenden. Auf dieser Basis entstehen Kennzahlen wie OEE, Verfügbarkeit, Leistung und Qualität.
Das MES Materialmanagement stellt sicher, dass Material, Teile und Hilfsstoffe zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Dazu gehören typischerweise:
Verwaltung von Umlauf und Zwischenbeständen
Zuordnung von Materialchargen zu Aufträgen und Maschinen
Unterstützung von Nachschubprozessen, zum Beispiel Kanban oder Milkrun
Rückverfolgbarkeit von verbauten Komponenten
Ein sauber integriertes Materialmanagement reduziert Bestände in Arbeit, vermeidet Engpässe und ist eine wichtige Grundlage für Traceability.
Fertigung ist nie nur eine Maschinenfrage. Der Funktionsbereich Personalmanagement im MES verknüpft Aufträge mit Verfügbarkeit und Qualifikation der Mitarbeitenden:
Schicht und Personaleinsatzplanung auf Arbeitsplatzebene
Erfassung von Anwesenheit, Tätigkeiten und Zeiten im Produktionskontext
Qualifikationsmanagement, zum Beispiel Freigaben für bestimmte Anlagen oder Prüfungen
Transparenz über Headcount pro Linie oder Auftrag
Damit unterstützt das MES nicht die klassische HR Verwaltung, sondern die operative Steuerung von Personalressourcen in der Fertigung.
Im Informationsmanagement laufen alle zuvor beschriebenen Funktionen zusammen. Der Fokus liegt auf der gezielten Bereitstellung von Informationen:
Echtzeit Dashboards für Linien, Anlagen und Werke
Kennzahlenberichte für OEE, Produktivität, Ausschuss und Stillstände
Shopfloor Boards für tägliche Besprechungen
Abweichungsanalysen und Trendberichte
Ziel ist es, die richtige Information zur richtigen Zeit an die richtige Rolle zu liefern, vom Werker an der Anlage bis zum Management.
Der Funktionsbereich Betriebsmittelmanagement umfasst Maschinen, Werkzeuge, Vorrichtungen und weitere Betriebsmittel. Typische Aufgaben sind:
Verwaltung von Werkzeug und Betriebsmittelstammdaten
Zuordnung von Werkzeugen zu Aufträgen, Linien und Anlagen
Überwachung von Standzeiten und Wartungsintervallen
Unterstützung von Instandhaltungsprozessen durch Störungsdaten aus MDE
In vielen Unternehmen ist das MES dabei eng mit bestehenden Instandhaltungssystemen gekoppelt. Das Betriebsmittelmanagement stellt sicher, dass technische Ressourcen verfügbar und qualitätskonform eingesetzt werden.
In der Praxis werden die Funktionsbereiche eines MES nicht isoliert genutzt. Typische Prozessketten sehen zum Beispiel so aus:
Die Feinplanung erzeugt eine optimierte Auftragsreihenfolge
Das Materialmanagement stellt die Versorgung der Linien sicher
Über Datenerfassung werden Ist Zustände und Kennzahlen ermittelt
Das Qualitätsmanagement bewertet die Ergebnisse und initiiert Maßnahmen
Das Personalmanagement stellt das passende Team bereit
Das Informationsmanagement visualisiert alles in Dashboards und Reports
Das Betriebsmittelmanagement sorgt dafür, dass Maschinen und Werkzeuge verfügbar sind
Ein leistungsfähiges MES bildet diese Abläufe durchgängig ab und verknüpft alle Datenobjekte in einem konsistenten Informationsmodell. Über Architekturen und Integrationsstandards wie ISA 95 lassen sich diese Funktionen mit ERP und weiteren Systemen verbinden.
Ein typisches Einführungsprojekt startet selten mit allen Funktionsbereichen gleichzeitig. Häufige Schritte sind zum Beispiel:
Start mit Datenerfassung und Informationsmanagement, um Transparenz über OEE, Stillstände und Ausbringung zu schaffen
Ergänzung um Feinplanung, wenn die Reihenfolgeplanung und Auslastung optimiert werden soll
Ausbau um Qualitätsmanagement und Traceability, wenn Branchenstandards oder OEM Anforderungen dies erfordern
Integration von Material und Personalmanagement, um Engpässe und Überlastungen ganzheitlich zu adressieren
Anbindung von Instandhaltung und Betriebsmittelmanagement, um Stillstände gezielt zu reduzieren
Die VDI 5600 liefert dabei die Blaupause, anhand derer Funktionsumfang, Roadmap und Verantwortlichkeiten definiert werden können.
Moderne MES Systeme, insbesondere cloud native Plattformen, setzen die beschriebenen Funktionsbereiche oft als eigenständige Module oder Apps um. So lassen sich:
Funktionspakete schrittweise aktivieren
Rollouts über mehrere Werke standardisieren
Integrationen über standardisierte Schnittstellen realisieren
Anbieter wie SYMESTIC nutzen dabei Standards wie VDI 5600 und ISA 95 als Rahmen, um Feinplanung, Datenerfassung, Qualität, Material, Personal, Informationen und Betriebsmittel in einer integrierten Plattform bereitzustellen. Diese Seite bleibt bewusst herstellerneutral, die Detailartikel können an geeigneter Stelle zeigen, wie solche Funktionen in der Praxis umgesetzt werden.
Die Funktionsbereiche nach VDI 5600 sind mehr als eine theoretische Auflistung. Sie bilden den praktischen Rahmen für die Auswahl, Einführung und Weiterentwicklung eines MES. Wer versteht, wie Feinplanung, Qualität, Datenerfassung, Material, Personal, Informationen und Betriebsmittel zusammenhängen, kann Investitionen gezielt planen und Projekte messbar ausrichten.
Der allgemeine Artikel zu MES, Definition, Funktionen und Nutzen beschreibt das System im Gesamtkontext.
Diese Funktionsübersicht schafft die Grundlage, um die einzelnen Themen in den verlinkten Fachartikeln vertieft zu betrachten und den eigenen Bedarf systematisch zu bewerten.