Die OEE-Faktoren im Detail – Verfügbarkeit, Leistung und Qualität
Die Kennzahl OEE (Overall Equipment Effectiveness) gilt als der objektivste Indikator für die tatsächliche Effizienz einer Fertigung. Doch erst ihr Inneres – die drei Faktoren Verfügbarkeit, Leistung und Qualität – zeigt, wo Produktivität entsteht oder verloren geht.
Diese drei Größen sind keine abstrakten Formeln, sondern Spiegelbild realer Abläufe auf dem Shopfloor. Wer sie im Detail versteht, erkennt Ursachen statt Symptome – und kann seine Produktion gezielt verbessern.
Verfügbarkeit – die Basis aller Produktivität
Die Verfügbarkeit misst, wie viel der geplanten Produktionszeit tatsächlich produktiv genutzt wird.
Sie ist der Faktor, der zeigt, wie oft eine Anlage wirklich produziert, anstatt zu warten, zu rüsten oder zu stehen.
Wie Verfügbarkeit berechnet wird
Die Betriebszeit ist dabei die tatsächliche Laufzeit einer Maschine abzüglich aller Stillstände – geplant oder ungeplant.
Typische Verlustquellen
- Ungeplante Stillstände durch Störungen, Werkzeugbrüche, Fehlbedienung
- Rüst- und Umrüstzeiten bei Produktwechseln
- Fehlendes Material oder Wartezeiten auf Freigaben
- Geplante Wartungen während der Schicht
In der Praxis unterschätzen viele Betriebe die Bedeutung kurzer, häufig auftretender Stillstände.
Ein Fertigungsleiter sieht nur „fünf Minuten“, doch über eine Woche können das Stunden verlorener Produktionszeit sein.
Wie MES-Systeme helfen
Ein MES-System erfasst automatisch Start-, Stopp- und Störsignale.
Dadurch wird sichtbar, wann und warum eine Maschine steht.
Erst diese Transparenz ermöglicht gezielte Maßnahmen – etwa zur Rüstzeitverkürzung, vorbeugenden Instandhaltung oder Materialflussoptimierung.
Ein Hersteller von Aluminiumkomponenten konnte so durch die Analyse kurzer Stillstände seine Anlagenverfügbarkeit um 12 % steigern – ohne eine einzige neue Maschine.
Leistung – der Puls der Fertigung
Die Leistung bewertet, wie schnell eine Anlage produziert, verglichen mit ihrer theoretischen oder standardisierten Taktzeit.
Hier geht es nicht darum, ob produziert wird, sondern wie effizient.
Formel
Wenn eine Maschine zwar läuft, aber langsamer als vorgesehen, sinkt die Leistung – und damit der gesamte OEE-Wert, selbst bei hoher Verfügbarkeit.
Typische Ursachen für Leistungsverluste
- Mikrostopps, etwa durch manuelle Eingriffe oder Sensorfehler
- Material- oder Zuführprobleme, die den Zyklus leicht verzögern
- Suboptimale Parameter oder Werkzeugverschleiß
- Übervorsichtige Bedienung – häufig aus Angst vor Ausschuss
Die meisten Leistungsverluste sind schleichend. Eine Anlage läuft, doch eben „nicht rund“.
Erst durch Zykluszeitvergleiche und Trendanalysen erkennt man Abweichungen im Sekundenbereich, die sich in Summe massiv auswirken.
Praxisbeispiel
In einer Lebensmittelproduktion wurde über das MES festgestellt, dass eine Verpackungslinie 0,8 Sekunden länger pro Zyklus lief als spezifiziert.
Das schien marginal – führte aber zu einem Ausstoßverlust von 5 % pro Schicht.
Eine einfache Anpassung der Fördergeschwindigkeit und ein Austausch des Zuführriemens brachten die Linie zurück auf Sollleistung.
Hier zeigt sich: Leistung ist kein abstrakter Wert, sondern der Pulsschlag des gesamten Prozesses.
Qualität – der ehrlichste Faktor
Der Qualitätsfaktor zeigt, wie viel der produzierten Teile wirklich verkaufsfähig sind.
Er wirkt unmittelbar auf die Wertschöpfung, denn jedes fehlerhafte Teil verbraucht Zeit, Energie und Material, ohne zum Ertrag beizutragen.
Formel
Typische Ursachen für Qualitätsverluste
- Prozessinstabilitäten – z. B. Temperaturabweichungen, Werkzeugverschleiß, fehlerhafte Einstellungen
- Materialschwankungen oder Rohstofffehler
- Ungeeignete Prozessparameter nach Rüstvorgängen
- Menschliche Faktoren – Bedienfehler, falsche Prüfmethoden
Warum Qualität der sensibelste OEE-Faktor ist
Ein hoher Qualitätsverlust bedeutet nicht nur Ausschuss, sondern oft auch verdeckte Verluste – Nacharbeit, Sortieraufwand oder Lieferverzögerungen.
Im Gegensatz zu Stillständen sind diese Verluste häufig nicht sichtbar, wenn sie nicht systematisch erfasst werden.
Ein MES mit integriertem Qualitätsmodul verbindet Prozessdaten (z. B. Druck, Temperatur, Zykluszeit) mit Ergebnissen aus der Qualitätsprüfung.
So lässt sich jede Abweichung nachvollziehen, bevor Ausschuss entsteht.
Ein Kunststoffverarbeiter konnte durch diese Korrelation die Ausschussquote um 22 % reduzieren – allein durch frühzeitige Prozesswarnungen.
Warum die drei Faktoren nur gemeinsam wirken
Verfügbarkeit, Leistung und Qualität sind nicht unabhängig voneinander.
Eine Maßnahme zur Steigerung der Leistung kann die Qualität verschlechtern, ein Fokus auf Null-Ausschuss kann die Geschwindigkeit bremsen.
Deshalb ist die Kunst nicht, einen Faktor zu maximieren, sondern das System als Ganzes zu optimieren.
Ein MES liefert dafür die objektive Datengrundlage. Es zeigt, welche Maßnahmen welchen Faktor beeinflussen, und erlaubt den Vergleich über Linien, Schichten und Standorte hinweg.
So wird OEE zur echten Führungsgröße – nicht als KPI zum Abhaken, sondern als Werkzeug für gezielte Verbesserung.
Fazit – Präzision statt Prozentwert
Ein OEE-Wert von 70 oder 80 Prozent ist kein Ziel, sondern ein Symptom.
Erst die Analyse der drei zugrunde liegenden Faktoren zeigt, wo Effizienz wirklich entsteht und wo sie verloren geht.
Wer diese Faktoren versteht, nutzt OEE nicht als Zahl, sondern als Werkzeug – unterstützt durch ein MES, das Daten nicht nur sammelt, sondern Bedeutung schafft.
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