Die OEE (Overall Equipment Effectiveness) gilt als Standardkennzahl für Produktivität und Effizienz in der Fertigung. Doch ihre Aussagekraft hängt stark davon ab, wie sie interpretiert, angewendet und in Entscheidungen integriert wird. Viele Unternehmen nutzen OEE zwar regelmäßig, machen aber strategische Fehler, die ihren Nutzen erheblich einschränken.
1. OEE wird isoliert betrachtet
OEE ist kein Selbstzweck. Eine hohe Anlagenverfügbarkeit nützt wenig, wenn der Auftrag überflüssig oder das Produkt unrentabel ist. Viele Unternehmen messen OEE ohne Bezug zu Kosten, Auftragsstruktur oder Nachfrage, wodurch operative Erfolge keinen betriebswirtschaftlichen Effekt haben.
Praxis-Tipp: OEE immer in Kombination mit KPIs wie Durchsatz, Materialkosten und Energieverbrauch bewerten, um echte Wirtschaftlichkeit zu messen.
2. Fehlende Differenzierung nach Anlagen und Prozessen
Die OEE-Formel ist standardisiert, ihre Bedeutung jedoch nicht.
Ein Spritzgusswerk, eine Montage oder eine kontinuierliche Prozessanlage unterscheiden sich massiv in Taktung, Störanfälligkeit und Qualitätskriterien.
Fehler: Vergleich aller Anlagen nach identischem OEE-Ziel.
Besser: Prozessspezifische Zielwerte definieren und Benchmarks je Linie, Produktgruppe oder Technologie aufbauen.
3. Keine Verbindung zur Fertigungsstrategie
OEE wird häufig operativ gemessen, aber nicht strategisch gesteuert.
Wird sie nicht mit der übergeordneten Produktions- oder Lean-Strategie verknüpft, bleibt sie ein isoliertes Shopfloor-Thema.
Beispiel: Eine OEE-Steigerung kann kontraproduktiv sein, wenn dadurch Pufferzeiten für Qualitätskontrollen verloren gehen oder Wartungszyklen zu kurz werden.
Empfehlung: OEE immer als Teil eines integrierten Performance-Frameworks betrachten – gemeinsam mit KPIs zu Qualität, Lieferfähigkeit und Flexibilität.
4. Fehlende Verantwortlichkeiten und Follow-up
Viele Betriebe berechnen OEE automatisch über ein MES, aber niemand nutzt die Erkenntnisse aktiv.
Ein Dashboard erzeugt noch keine Verbesserung, solange es keine Verantwortung, Zielvereinbarung und Maßnahmennachverfolgung gibt.
Best Practice: OEE-Analysen regelmäßig in Shopfloor-Meetings einbinden, Ursachenbewertung strukturieren und Verbesserungsmaßnahmen nachverfolgen.
5. Falsche Interpretation von Trends
Ein steigender OEE-Wert wird oft als Erfolg gefeiert – auch wenn er auf reduzierten Qualitätsanforderungen, kleineren Losgrößen oder kurzfristigen Effekten beruht. Ohne Kontextanalyse führen solche Trends zu Fehlschlüssen.
Tipp: Veränderungen immer gegen Referenzbedingungen (Schicht, Produkt, Losgröße) validieren und langfristige Durchschnittswerte heranziehen.
Fazit
OEE ist eine unverzichtbare Kennzahl, aber kein Allheilmittel.
Ihr Wert entsteht erst, wenn sie strategisch eingebettet, prozessspezifisch bewertet und konsequent genutzt wird.
In Kombination mit einem MES-System – etwa mit einer Cloud-Plattform – wird OEE zur vernetzten Steuerungsgröße, die operative Exzellenz messbar macht und in konkrete Geschäftsergebnisse übersetzt.