OEE, die Overall Equipment Effectiveness (deutsch: Gesamtanlageneffektivität GAE), ist eine der wichtigsten Kennzahlen im Lean Management. In produzierenden Unternehmen steht die OEE-Kennzahl als allgemein anerkannter Maßstab und Referenz für die Produktivität einer Industrieanlage im Fokus. Ein modernes Manufacturing Execution System (MES) kann die OEE und viele weitere Kennzahlen bereits in Echtzeit liefern.
Bei dieser 1982 von Seiichi Nakajima und dem Japan Institute of Plant Maintenance entwickelten Kennzahl werden technische und organisatorische Themen einer Anlage berücksichtigt.
Produktivität durch Analyse der OEE Kennzahlen steigern
Unternehmen können mit der OEE-Kennzahl den Status-quo ihrer Produktivität objektiv einordnen, systematisch Optimierungspotenziale aufdecken, fundierte Entscheidungen treffen und für eine nachhaltige wirtschaftliche Verbesserung sorgen. Somit hat die OEE zum Beispiel für Kaizen, Six Sigma und KVP-Projekte eine wichtige Bedeutung.
Indem man die Anlagenverfügbarkeit visualisiert, lassen sich mögliche Probleme hinsichtlich der Verfügarbkeit sehr einfach sichtbar machen. Diese Methode gilt für produzierende Unternehmen heute als Standard. So lassen sich Optimierungsbedarfe sehr schnell erkennen und notwendige Maßnahmen sehr viel schneller einleiten, was positive Auswirkungen auf die
Gesamtanlageneffektivität hat.
Bevor wir mit OEE und deren einzelnen Faktoren beginnen, müssen wir zunächst eine klare Vorstellung und Abgrenzung zum Betrachtungszeitraum in der Produktion vornehmen, denn OEE bezieht sich ausschließlich nur auf die geplante Produktionszeit.
OEE Betrachtungszeitraum (geplante Produktionszeit)
Was bedeutet das?
Physisch sind Ihre Anlagen die ganze Zeit (= 24/7) in der Produktion verfügbar, d.h. könnten theoretisch permanent und durchgängig genutzt werden. In der Praxis ergeben sich aber geplante Verluste durch Werksferien, Pausen, keine Aufträge und geplante Stillstände.
- Geplante Nicht-Produktion
- Geplante Stillstände
Diese „Verluste“ werden bei der Kennzahl "Totale effektive Anlagenproduktivität" (englisch: Total Effective Equipment Performance, TEEP) berücksichtigt, nicht aber bei unserer OEE Kennzahl – hier werden ausschließlich die Verluste während der geplanten Produktionszeit betrachtet!
Nachdem dies geklärt ist, können wir uns die drei OEE-Faktoren ansehen, von denen jeder eine andere Art von Verlust berücksichtigt.
1. Verfügbarkeitsfaktor
Die Verfügbarkeit ist die Zeit, in der Ihre Maschine tatsächlich arbeitet, als Prozentsatz der geplanten Arbeitszeit.
Um die Verfügbarkeit zu berechnen, wird die tatsächliche Arbeitszeit durch die gesamte geplante Arbeitszeit dividiert, um den Anteil zu ermitteln, und mit 100 multipliziert, um den Wert in Prozent zu erhalten:
Die geplante Arbeitszeit einer Anlage ist Ihnen aus dem Produktionsplan bekannt, aber wie ermitteln Sie die tatsächliche Arbeitszeit?
Dazu registrieren Sie alle Stillstände (Ausfallzeiten) und subtrahieren sie von allen geplanten Arbeitszeiten.
Aus der Analyse der Stillstandsdaten erkennen Sie neben der Ursache auch das Potential an Verbesserungen.
Sie können dabei auch erkennen, welche Auswirkung die Vielzahl der über den Tag verteilten Micro-Stillstände in der Summe haben. Auch der Einfluss der Rüstzeiten auf die Gesamtverfügbarkeit einer Anlage wird schnell ersichtlich. Dies kann in Ihrer Produktionsplanung nachvollzogen und zukünftig dann besser berücksichtigt werden.
In der Regel zeigt sich, dass der Großteil der Stillstände aus einer Handvoll Gründe erfolgt. Diese können je nach Anlage und Prozess sehr unterschiedlich sein, aber meist ergeben Auswertungen einige wenige „Hauptschuldige“. Wie so oft gilt meist auch hier das Pareto-Prinzip: 20 % der Gründe führen zu 80 % der Stillstandszeiten.
Der erste wichtige Bereich im Rahmen der Overall Equipment Effectiveness (OEE) ist der Verfügbarkeitsfaktor einer Produktionsanlage. Er entsteht aus dem Verhältnis zwischen geplanter Produktionszeit und verfügbarer Laufzeit - denn Betriebszeit und Produktionszeit sind hier nie identisch. Ursächlich sind zwei bereits genannte, wichtige Problemstellungen, die die Verfügbarkeit einschränken und negative Auswirkungen auf den Verfügbarkeitsgrad einer Anlage nach sich ziehen:
- Anlagenausfall: Hier entsteht ein Zeitraum, in der eine Anlage wegen eines Fehlers, Wartungsarbeiten, Personalmangels, einer technischen Störung oder sonstiger Pannen außer Betrieb ist, obwohl sie eigentlich laufen sollte.
- Rüstzeiten: Damit werden Zeiträume definiert, die benötigt werden, um eine Maschine in der Produktion ein- oder umzustellen. In diese Rüstzeiten können auch der Umbau von ganzen Anlagen, das Justieren einzelner Komponenten, sowie notwendige Reinigungsarbeiten fallen. Die eigentlich geplante Betriebszeit wird also durch nicht oder nur bedingt planbare Betriebszustände reduziert, in denen die Anlage außer Betrieb gesetzt werden muss. Solche Rüstzeiten müssen von der Gesamtbetriebszeit abgezogen werden.
2. Leistungsfaktor
Um den Leistungsgrad zu berechnen, müssen Sie herausfinden, wie viele Teile Sie produziert haben und diese mit der Anzahl der Teile vergleichen, die Sie während Ihrer tatsächlichen (nicht geplanten sondern tatsächlichen) Arbeitszeit mit maximaler Geschwindigkeit hätten produzieren können.
Die Formel zur Berechnung des Leistungsgrad lautet:
IST-Leistung: Sie können recht einfach ermitteln, wie viele Teile von einer Anlage bearbeitet/produziert wurden. Denken Sie aber daran, alle Teile inkl. Ausschuss zu berücksichtigen.
SOLL-Leistung: Dazu multiplizieren Sie einfach die maximale Anzahl der zu produzierenden Teile pro Stunde mit der tatsächlichen Arbeitszeit der Anlage.
Wie ermitteln Sie Ihre maximale Produktionsleistung (Soll-Leistung)?
In der Regel sollte der Hersteller einer Anlage diese Information als „ideale Zykluszeit“ zur Verfügung stellen, aus der Sie dann die SOLL-Leistung ableiten.
Beispiel: wenn in einen Zyklus zwei Teile bearbeitet werden und die ideale Zykluszeit 5 Sekunden beträgt, dann sollten innerhalb einer Minute 24 Teile bearbeitet werden bzw. innerhalb einer Stunde sollten 1440 Teile bearbeitet werden.
Sollte diese Angabe nicht verfügbar sein, dann können Sie die schnellste aufgezeichnete Zeit ermitteln, indem Sie die historische Leistung betrachten und dann berechnen, wie viele Produkte Sie herstellen würden, wenn Ihre Maschinen ständig mit dieser Geschwindigkeit laufen würden.
Sollte diese Angabe nicht verfügbar sein, dann können Sie die schnellste aufgezeichnete Zeit ermitteln, indem Sie die historische Leistung betrachten und dann berechnen, wie viele Produkte Sie herstellen würden, wenn Ihre Maschinen ständig mit dieser Geschwindigkeit laufen würden.
Es gibt also auch bei dieser Kennzahl unterschiedliche Ursachen dafür, dass die Geschwindigkeit einer Anlage nicht konstant linear ist. Zu den Gründen, weshalb auch die geplante und die reale Anlagenleistung nicht identisch sind:
- Kleine Stopps sowie Leerläufe: Das sind Zeiträume, in denen eine Anlage kurz angehalten wird, woraus sich Stillstandszeiten und Leistungsverluste ergeben. Als Ursachen gelten hier meist Fehleinzüge, fehlerhafte Einstellungen oder Staus. Vor allem Leerlauf zählt zu den häufigen kontinuierlichen auftretenden Problemen, das allerdings in vielen Fällen nicht beachtet wird.
- Reduzierte Geschwindigkeit: Hier ist die Zeit gemeint, in der eine Anlage mit dem schnellstmöglichen, aber nicht mit dem absolute möglichen Tempo betrieben wird. Mögliche Ursachen eines solchen Leistungsverlusts können der Verschleiß von Anlagenkomponenten, ungeschulte Mitarbeitende, die mit der Bedienung der Anlage überfordert sind oder Mängel bei der Materiallogistik sein.
3. Qualitätsfaktor
Qualität ist der dritte der drei zu berechnenden OEE-Faktoren. Mit dem Qualitätsgrad wird der Anteil der den Qualitätsanforderung entsprechenden guten Teilen in Relation zu den insgesamt produzierten Teilen ausgedrückt:
In der Praxis wird die Anzahl der Gutteile oft dadurch bestimmt, dass im Betrachtungszeitraum von der bekannten Anzahl der produzierten Teile einfach die Anzahl Ausschuss- und Nacharbeitsteile abgezogen wird.
Insgesamt produzierte Teile = Gutteile + Ausschussteile + Nacharbeitsteile
Ein professionelles Monitoring der Kennzahl „Qualität“ unterstützt Sie dabei, sich auf die wichtigsten Qualitätsprobleme zu konzentrieren und diese zuerst zu eliminieren.
Hierbei stellen sich typischerweise Fragen wie:
Hierbei stellen sich typischerweise Fragen wie:
- Was sind die häufigsten Qualitätsprobleme?
- Wer bzw. was ist der Verursacher hierfür?
- Gibt es eine Häufung von Qualitätsproblemen?
Es ist offensichtlich, dass fehlerhafte Teile einen großen Einfluss auf die Kosten und auf die Termintreue der Produktion haben. Je früher Produktionsfehler im Wertschöpfungsprozess festgestellt werden, umso geringer ist der entstehende Schaden.
Der Qualitätsgrad sollte nicht mit der Qualitäts-Kennzahl Erstausbeute (englisch first pass yield, abgekürzt FPY) verwechselt werden. Diese Kennzahl beschreibt den Anteil der Bauteile oder Baugruppen, die nach dem ersten Fertigungsdurchlauf – also ohne Reparaturschritte – ohne Fehler sind.
Einbeziehung des Produktionsresultats
Um einen möglichst objektiven OEE zu erhalten, muss bei seiner Berechnung auch das Resultat der Produktion mit berücksichtigt werden. Die Anlage war ja schlussendlich nur dann produktiv, wenn nach Abschluss der Fertigung ein verkaufsfähiges Bauteil entstanden ist. Das bedeutet aber in der Konsequenz, dass von den insgesamt hergestellten Bauteilen diejenigen abgerechnet werden müssen, die entweder überhaupt nicht verwendet oder erst dann genutzt werden können, wenn sie nachgearbeitet worden sind. Solche Ausschussteile entstehen meist durch zwei Faktoren:
- Prozessfehler: Fehlerhafte Teile, die nachbearbeitet oder vollkommen unbrauchbar sind, tauchen während der Produktion immer dann auf, wenn es z. B. zu Bedienfehlern der Anlage kommt oder fehlerhafte Geräteeinstellungen zu mangelhaften Teilen führen.
- Reduzierter Ertrag: Mit diesem Begriff bezeichnet man den Ausschuss, der durch Probleme nach einer Umrüstung der Anlage oder beim sogennanten Aufwärmzyklus oder auch als notwendiger Abfall noch vor der Steady-State-Produktion entsteht.
4. OEE Formel
Nachdem uns jetzt alle OEE Faktoren bekannt sind, können wir abschließend die OEE Kennzahl recht einfach und korrekt berechnen:
Wenn Sie alle OEE-Faktoren miteinander multiplizieren, erhalten Sie den OEE-Wert!
Die nachfolgende Grafik veranschaulicht die Zusammenhänge auf einen Blick.
OEE für mehrere Anlagen berechnen
Produzierende Unternehmen arbeiten normalerweise nicht nur mit einer Produktionsanlage, sondern verfügen über mehrere Maschinen oder gar Produktionsstraßen. Die weit verbreitete Methode den OEE verschiedener Anlagen einfach zu addieren und einen Durchschnittswert zu berechnen, berücksichtigt allerdings nicht die jeweils verschiedenen Bedingungen, die zu den OEE-Kennzahlen geführt haben. Dieses Vorgehen verfälscht die Aussagen über die einzelnen Anlagen und das Unternehmen als Ganzes, weil der OEE das Verhältnis zwischen mehreren Dimensionen repräsentiert. Darum müssen Sie die einzelnen Dimensionen zusammenrechnen und den Gesamt-OEE ermitteln.
OEE von Produktionslinien ermitteln
Obwohl die Berechnung der OEE Kennzahl kompliziert erscheint, sobald es um eine Produktionslinie mit einzelnen, aufeinander angewiesenen Anlagen geht, welche während des Produktionsprozesses zudem aufeinander warten müssen, täuscht der Eindruck. Der OEE unterstützt Sie sogar bei der Identifizierung einzelner Elemente der Produktion, welche die Anlagenverfügbarkeit reduzieren. Bei einer Produktionslinie ist daher ausschließlich die leistungsbestimmende Komponente am Ende der Linie wesentlich.
OEE versus TEEP
Steht der OEE für Overall Equipment Effectiveness, so beschreibt die TEEP die Total Effective Equipment Performance und damit eigentlich den gleichen Zusammenhang. Der Unterschied ist allerdings, dass sich die TEEP auf ein Kalenderjahr bezieht und nicht auf die sogenannte Betriebszeit. Wollen Sie die TEEP berechnen, besteht die Aufgabe darin, die Betriebszeit ins Verhältnis zum Kalenderjahr zu setzen. Eine TEEP mit einem Wert von 100% bedeutet dann eine vollständ ausgelastete Produktion, die bei maximal möglichem Tempo 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche keinerlei nachzuarbeitende oder nicht mehr nutzbare Bauteile herstellt, sondern nur verwendbare Teile. Die zur Berechnung verwedete Formel lautet:
Auslastung x OEE = TEEP
Fazit
Sie wissen jetzt, wie sich die OEE Kennzahl und ihre einzelnen Faktoren berechnen und können nun selbst Kalkulationen vornehmen. Das ist aber nur ein erster Schritt zu einem fundierten OEE Verständnis.
Die Erfassung der OEE gehört zur Betriebsdatenerfassung (BDE), bei der ein größerer Umfang von technischen und organisatorischen Daten abgedeckt wird.
Haben Sie noch Fragen oder benötigen Sie bei den OEE Grundlagen etwas Unterstützung? Unsere Experten stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.
Exklusives Whitepaper
Lernen Sie die modernsten Ansätze der Industrie 4.0, die Sie in Ihrer Produktion schon morgen umsetzen können, um innerhalb von 4 Wochen Ihre Kosten um gut 20% zu reduzieren.
mehr erfahren